Das Recht auf Arbeit ist eine alte, in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit weiter hochaktuelle Forderung. Klar ist natürlich: Es geht hier um das Recht auf Arbeit, nicht die Pflicht zur Arbeit. Beide Themen betreffen AsylbewerberInnen und Flüchtlinge mit Duldung (1) in besonderer Weise.
Arbeitsverbote
AsylbewerberInnen und Geduldete sind die einzigen Personengruppen in Deutschland, denen es explizit verboten wird, zu arbeiten - zumindest im ersten Jahr ihres Aufenthalts in Deutschland. Danach dürfen sie arbeiten; allerdings müssen sie erst ein konkretes Arbeitsangebot finden und dann dafür eine spezielle Arbeitserlaubnis beantragen. Die bekommen sie aber nur, wenn die Arbeitslosigkeit in der Region und Branche nicht hoch ist und wenn für diese konkrete Arbeitsstelle keine andere, bevorrechtigte Person (z.B. Deutsche oder AusländerInnen mit Arbeitserlaubnis) gefunden werden kann. Also werden zunächst Arbeitslose aus dieser Gruppe angeschrieben und aufgefordert, sich auf die Stelle zu bewerben, die der Flüchtling recherchiert hat. Erst wenn nach Wochen klar ist, dass davon niemand in Frage kommt, bekommen Flüchtlinge eine Arbeitserlaubnis (2). Da es kaum ArbeitgeberInnen gibt, die bereit und in der Lage sind, dieses komplizierte und langwierige Verfahren durchzumachen, wirkt diese Regelung im Ergebnis ähnlich wie ein Arbeitsverbot.
Das hat auch psychische Auswirkungen: Je länger eine
Person ihre Fähigkeiten nicht einsetzt und trainiert, umso mehr verliert
sie an Praxis, Routine, aber auch an Selbstvertrauen. Gerade bei Flüchtlingen
handelt es sich zudem häufig um Menschen, die traumatisierende Erlebnisse
durchgemacht haben, die ihre Gesundheit belasten können und zu chronischen
gesundheitlichen Problemen führen. Isoliert in Flüchtlingsunterkünften
und ausgeschlossen vom Arbeitsmarkt, sind die Betroffenen zurückgeworfen
auf Gedanken an die Ver-
gangenheit. Die Aufnahme einer existenzsichernden Beschäftigung
dagegen stärkt das Unabhängigkeits-
gefühl und eröffnet Zukunftsperspektiven auch
in Hinblick auf ein Bleiberecht in Deutschland.
Kein Bleiberecht ohne Erwerbsarbeit?
Hier liegt dann auch ein besonderes Problem. AsylbewerberInnen,
deren Antrag abgelehnt wurde, und andere geduldete Flüchtlinge, die
sich schon lange in Deutschland aufhalten, können zwar eine Aufenthalts-
erlaubnis nach der Gesetzliche Altfallregelung beantragen,
die im Sommer beschlossen wurde. Es handelt sich dabei jedoch lediglich
um eine Aufenthaltserlaubnis „auf Probe“, die nur bis Jahresende 2009 gilt.
Wer bis dahin nicht nachweisen kann, dass der Lebensunterhalt überwiegend
selbständig gesichert werden konnte, fällt in die Duldung zurück
und ist damit wieder von Abschiebung bedroht. Menschen, die jahrelang nicht
arbeiten durften bzw. deren Erwerbstätigkeit nicht erwünscht
war, müssen nun also plötzlich eine Arbeit finden, in der sie
auch noch gut verdienen.
Die aktuelle Wirtschaftskrise erschwert die Lage weiter:
Wer als Flüchtling die Arbeit verliert oder auf Kurzarbeit gesetzt
wird, riskiert gleichzeitig sogar die Aufenthaltserlaubnis „auf Probe“.
Selbst diejenigen Flüchtlinge, die bisher Arbeit haben, müssen
zittern: zu Jahresende 2009 prüft die Ausländerbehörde die
Wahrscheinlichkeit, ob der Lebensunterhalt auch in Zukunft gesichert werden
kann. Die Arbeitsmarkt-
fähigkeit der Menschen gilt also als Maßstab
gelungener Integration; es gibt nicht einmal sozial zumutbare Ausnahmen
für erwerbsunfähige Personen wie Alte, Kranke und Behinderte.
Aufgrund der drohenden Rezession und der zu erwartenden
angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt ist bereits absehbar, dass die Altfallregelung
in ihrer jetzigen Form nur einer Minderheit einen gesicherten Aufenthalt
ermöglichen wird. Damit würde sie ihr ursprüngliches Ziel
jedoch klar verfehlen.
Forderungen des Flüchtlingsrats:
• Auch Flüchtlinge ohne sicheren Aufenthaltsstatus haben ein Recht auf Arbeit. Arbeitsverbote gehören abgeschafft!
• Wer lange hier lebt, muss bleiben dürfen. Erwerbsfähigkeit darf nicht das Kriterium für Integration sein: auch wer nicht gleich Arbeit findet, auch wer nicht arbeiten kann, ist Teil unserer Gesellschaft!
• Bleiberecht für alle Flüchtlinge!
Anmerkungen:
(1) Eine Duldung ist keine Aufenthaltserlaubnis, sondern bedeutet nur, dass die Abschiebung in den nächsten 3-6 Monaten aus tatsächlichen und humanitären Gründen - z.B. bei Bürgerkrieg im Heimatland - nicht möglich ist.
(2) Eine Ausnahme besteht für Geduldete, die sich
schon über vier Jahre in Deutschland aufhalten: sie können eine
unbeschränkte Arbeitserlaubnis beantragen, mit der sie gleichrangigen
Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Allerdings bekommen sie diese nur, wenn
die Ausländerbehörde ihnen gegenüber kein Arbeitsverbot
ausgesprochen hat; z.B., weil sie den Flüchtlingen vorwirft, nicht
ihren wahren Namen angegeben zu haben bzw. keinen Pass zu beantragen, damit
sie nicht abgeschoben werden können.